Alessandra Beltrame: IN FABULA

IN FABULA ist ein work in progress Projekt, an dem ich seit über zwei Jahren arbeite. Es ist eine Recherche darüber, wie wir die Realität um uns herum wahrnehmen und eine Suche nach einer persönliche Lesart dessen, was man zu sehen glaubt, und was man wirklich ist.

Es ist das Ausloten der eigenen Grenzen zwischen Schein und Wirklichkeit. Die Verkleidung mit Goldleder eröffnet mehrere Resonanzräume. Bereits auf den ersten Blick transformiert das Gold die Objekte ins Fantastische. Es verleiht den alltäglichen Gegenständen Kostbarkeit und ruft Verzauberung und Irritation hervor.

 

 

Alltagsgegenstände erhalten durch die handgearbeitete Veredelung aus Goldleder und rotem und goldenen Faden, eine homogene Materialität. Durch diese Transformation wird der Blick auf die Sehnsucht nach Vergangenem, Bekanntem und Erzähltem wachgerufen und behalten dadurch ihre individuelle Form und die damit verbundenen Assoziationen bei. Durch die Verkleidung ist die ursprüngliche Gestalt zwar weiterhin lesbar, das spezifische Objekt als solches aber nicht mehr zu erkennen.

Es entsteht ein neues visuelles Alphabet, welches eine neue Interpretationsgrundlage für die persönlichen Erlebnisse und Erinnerungen ermöglicht bzw. in der erstmaligen Begegnung neue Erzählstränge generiert.

Die Vereinheitlichung führt so nicht nur in Gleichschaltung und Reduktion, sondern wird auch zum Ausgangspunkt neuer, individuell aufgeladener Narrationen. Damals wie heute suggeriert Gold Kostbarkeit, ruft Verzauberung oder Gier hervor. In Märchen symbolisiert Gold die Dimension des Lichtes und des Reichtums und ist ein glückbringendes oder belohnendes Element. Gesellschaftlich ist es ein weitreichend implementiertes Zeichen für das Begehrte und zu Begehrende und damit auch ein Mittel der Macht.

 

 

Mögen weitere Erzählungen entstehen, die sich in aneinander angrenzenden Geschichten und in parallelen Räumen des Geistes verflechten und kreuzen, ohne eine vorher festgelegte Ordnung. Frei gelassen, sollen sie die Erweiterung eines Labyrinths bilden, um sich im Schwindel des Traums zu verlieren.

 

 

 

Als Tochter einer italienischen Familie in der Schweiz geboren und in St. Gallen wohnhaft, weist IN FABULA auf diese doppelte Identität hin: einerseits auf die Tradition der venezianisch-friulanischen Heimstickerei und andererseits auf die aufwendige St. Galler Tradition der berühmten Spitzen. Die Werke erzählen von einer weiblichen Genealogie, die durch das Goldleder eine Anerkennung und den gebührenden Wert erlangen. Sie deuten auf eine alltägliche weibliche Arbeit hin, die wir alle als wertvoll anerkennen, die aber nicht als Kunst, sondern als Handwerk betrachtet wird.

 

Ausstellungsansichten: Fondazione Bevilaqua La Masa  Venezia, Palazetto Tito Venezia, September 2020

 

Die Homepage von Alessandra Beltrame: https://kunnst.ch/