Die Marke? Alneo. Das Produkt? Gesichtscreme. Der Name? Radiance Blossom Moisturizing Cream. Die Verpackung? Runder weißer Tiegel mit goldfarbenem Deckel. Das Design? Zarte Blütenranken auf weißem und rosafarbenem Grund. Und das Model? Eine junge Frau mit langen dunklen Haaren, die mit ihrer reinen zarten Haut perfekt das Image der Marke repräsentiert.
Würden wir das alles im Schaufenster einer Apotheke sehen, würden wir vielleicht kurz stehenbleiben und einen zweiten Blick auf die so hübsch verpackte und präsentierte Creme werfen, kämen vielleicht sogar in Versuchung, sie zu kaufen, weil uns das anmutigen Verpackungsdesign so gut gefällt. Tatsächlich wäre das auch der einzige Grund, denn der Inhalt, die Creme mit dem klangvollen Namen, existiert gar nicht: Trung Nguyen hat sie allein aus dem Grund erfunden, dass er während seiner Überbetrieblichen Lehrausbildung (ÜBA) zum Medienfachmann im ipcenter eine Verpackung entwerfen sollte. Und das hat er so gründlich und gut gemacht, dass sie ein Lieblingsstück des angehenden Medienfachmanns geworden ist und es wie viele andere „Lieblingsstücke“, die während der ÜBA entstanden sind, in eine gleichnamige Ausstellung des ipcenters geschafft hat.
„Wir zeigen hier Arbeiten, die den Auszubildenden und den Trainer:innen besonders gut gefallen und die das meiste Lob bekommen haben“, erklärt Kuratorin Elena Karloff, die sowohl Medientrainerin im ipcenter als auch Grafik- und Präsentationsdesignerin ist. Zusammen mit Marketingmitarbeiterin Stefanie Hardt hat sie die „Lieblingsstücke“ so geschickt im 2. Stock des U4-Centers aufgehängt, dass der Charakter der Arbeiten hervorgehoben wird. Dazu hat sie für manche Werke schlichte schwarze Rahmen ausgewählt, für andere maßgeschneiderte Passepartouts in spacigem Silber, coolem Schwarz oder poppigen Bonbonfarben angefertigt. „Zum einen sollte jedes Werk sollte so vorteilhaft wie möglich aussehen, zum anderen habe ich darauf geachtet, dass die Präsentation zum Alter der Jugendlichen passt.“
Der Aufwand hat sich gelohnt, die Ausstellung wirkt frisch, lebendig, jung und trotzdem sehr aufgeräumt und professionell. „Die Ergebnisse können sich sehen lassen“, meint Elena Karloff. Und sie spiegeln insgesamt die Vielfalt der vom AMS finanzierten ÜBA wider: Geordnet nach Technik und Thematik finden sich eigene Kreationen von Ausstellungsplakaten namhafter Künstler:innen wie Frida Kahlo und Vincent van Gogh ebenso an den Wänden wie Porträtfotos in Schwarz-Weiß, experimentelle Fotos mit Langzeitbelichtungen oder 3-D-Papierkunst; am Computer entstandene Illustrationen sind in den vergangenen Monaten ebenso zu Lieblingsstücken geworden wie Radierungen.
Die ausgewählten Arbeiten überzeugen aber nicht nur künstlerisch, sondern auch dadurch, dass sie Zeugnis von einem langen und nicht immer einfachen Entstehungsprozess ablegen, der letztlich auch dank der Unterstützung und Ermutigung von den Medientrainer:innen Alexander Breunlich, Siegfried Gansch, Elena Karloff, Bernhard S., Juergen M. Schroeder, Desislava Terzieva und Rudolf Varga erfolgreich bewältigt wurde. „Nicht nur ein Mal waren die Jugendlichen kurz vor dem Aufgeben, aber sie haben sich dann doch immer wieder getraut, die nächste Etappe in Angriff zu nehmen“, erzählt Elena Karloff.
Da ist zum Beispiel ein für das Zeitalter von Spotify und anderen Musikstreaming-Dienstanbietern ungewöhnliches Werkstück: Eine Schallplatte, deren Cover Enver Deniz in rauchigen Farben gestaltet hat. Auf den ersten Blick gar nicht so aufwändig, sind hier doch viele Entscheidungen zu treffen und umzusetzen gewesen, zum Beispiel die Verteilung der notwendigen Informationen wie der Songtitel in der Viereckform und deren typographische Gestaltung. Das Label der Plattenfirma musste ebenso entworfen und platziert werden wie der Strichcode auf der Rückseite. Vor einem schwarzen Hintergrund und in einem schwarzen Bilderrahmen wirken Vorder- und Rückseite des Covers, aus dem jeweils die Schallplatte zur Hälfte herausschaut, so professionell, dass der junge Designer gleich noch einen QR-Code in der Ecke platziert hat. Wer ihn mit dem Smartphone scannt, gelangt zur Instagram-Seite von Enver Deniz, womit auch eine Schallplatte als Lieblingsstück des Jahres 2024 up to date ist.
Wenn wir am Ende des Rundgangs noch einmal zu den drei großen schwarzen Tafeln, an denen Verpackungen präsentiert werden, zurückkehren, können wir nur erahnen, wie viel Zeit in diese Designs geflossen ist und wie viel Durchhaltevermögen und Kreativität für die Entwicklung von Zielgruppe, Farbpsychologie, Schachtel und Werbeplakat hierbei gefragt waren. Niklas Leeb hat sie für eine Actionfigur aufgebracht, Haniye Tajik für ein Erfrischungsgetränk und Trung Nguyen für seine eingangs schon vorgestellte Gesichtscreme, bei der nicht nur Plakat, Logo, Schachtel und Markenbeschreibung bis ins Detail ausgereift sind, sondern auch das Model, das die Creme präsentiert. Trung hat es mit Künstlicher Intelligenz generiert und damit perfekt an die von ihm kreierte Marke angepasst. Es ist nicht das einzige Lieblingsstück in dieser Ausstellung, das uns vor Augen führt, dass die Lehrlinge von heute schon jetzt die Fachkräfte von morgen sind.
Die Ausstellung „Lieblingsstücke“ ist noch bis zum 30. Oktober im 2. Stock des U4-Centers, Schönbrunner Straße 218-220, 1120 Wien zu sehen.