Während ich hier sitze und diesen Text in den Computer tippe, kriechen in mir, aus Bauch und Darmgeschlinge kommend, den Vagusnerv nach oben bis in die weiche Zellmasse im Inneren meines Kopfes steigend, mehrere Gedanken. Der Homo Sapiens, sich seiner Existenz bewusst, wie schon der alte Descartes formulierte, „Cogito ergo sum“, hat möglicherweise aufs falsche Pferd gesetzt, als er begann, zuerst langsam und dann immer schneller werdend, der Evolution davonzulaufen. Möglicherweise sage ich, denn hier vorm Schreibtisch sitzend, ist es mir zu meinem Bedauern unmöglich, eine Zeitreise ins, sagen wir mal 2564er Jahr zu unternehmen, um zu sehen, ob die Entkoppelung des Menschen von seiner Natur paradiesische Zustände oder doch eher Höllenfeuer verursacht hat. Die gegenwärtigen Tendenzen deuten eher auf Letzteres hin. Die kleinen bösen Zackenkugeln, von denen wir gegenwärtig umschwärmt werden, sind wahrscheinlich ein kleiner Vorgeschmack, ein Aperitif, bevor im Hauptgang der fette Braten kommt. Aus wikipedia, Stichwort Aperitif: Der Aperitif hat zudem eine soziale Funktion und dient dazu, den Gästen die Wartezeit bis zum Servieren der Speisen zu verkürzen oder zu überbrücken, bis alle eingetroffen sind und man sich zu Tisch begeben kann.
Nächster Gedanke: Kunst machen heißt durch Reibung Hitze zu erzeugen. Weil sie sich auf das Existenzielle der Gegenwart bezieht, ist meine Kunst immer politisch. Ich bin ein Weltverdauungsapparat. Die Beziehung zur eigenen inneren Natur und der mich umgebenden Umwelt hat in meinem Werk höchste Priorität. Meine Fragen drehen sich um natürliche und künstlich geschaffene Systeme sowie um die geistigen Zustände von Individuen und ganzen Gesellschaften. Die Erforschung und Überwindung von Grenzen bildet in meinem Werk einen kontinuierlichen Faden. Was in mich hineingeht kommt später als eigensinniges Objekt wieder zum Vorschein. In einem stetigen Transformationsprozess kämpfe ich mit grünen, stacheligen Monstern, die sich in den gewundenen Höhlen des menschlichen Seins verstecken.
Solange die Welt so ist wie sie ist muss ich das tun, da kann ich nicht anders.
Wurmloch
Ein Wurmloch ist ein physikalisch-theoretisches Gebilde, das zwei Orte derselben Raumzeit oder zwei unterschiedliche Raumzeiten eines Multiversums miteinander verbindet.
Ein Wurmloch ist ein von Regenwürmern oder anderen Würmern gegrabener Tunnel, der den Tieren als Straße und Wohnung dient.
Gehen wir gerade durch ein Wurmloch und wissen nicht, was uns am Ende erwartet?!
Ich baue Wurmlöcher. Kleine, große, dicke und dünne. Manche sind zum Betrachten da, durch andere kann man durchkriechen. Meine Wurmlöcher sind aus verschiedenen Materialien gebaut. Stahl, Beton, Kunststoff, Holz. Ich erarbeite sie mit dem eigenen Körper, grabe mich ins Material hinein, bis es passt.
Objekte zeichnen in den Raum, Performances zeichnen in den Raum. Ich denke drei- und mehrdimensional, also bin ich.
Zuletzt:
Bevor ich diesen Text beende, auf der anderen Seite der Fensterscheibe scheint die Sonne, ich werde sie gleich besuchen, hier noch ein Nachtrag zur Kunst.
Kunst muss heute genauso radikal sein, wie sie es zu vielen Zeiten war. Es verursacht mir Übelkeit, wenn sie wie ein ausgefressener, träger Körper um sich selbst kreist. In einem Karussell das sich am Stand dreht, wird sich die Menschheit nicht weiterentwickeln. Die Kunst schon gar nicht.
Mein Anspruch ist, dass meine Kunst bei den Menschen etwas zurücklässt oder wie es Francis Bacon treffenderweise formulierte: „Ich möchte, dass meine Bilder so aussehen, als sei ein menschliches Wesen durch sie hindurchgegangen, wie eine Schnecke, eine Spur von menschlicher Anwesenheit und die Erinnerung an vergangene Ereignisse zurücklassend, so wie die Schnecke ihren Schleim zurücklässt“.
Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist da. Ich gehe nach draußen.
Weblinks:
Abbildungen
Beitragsbild: Wurmloch #1_Performanceskulptur_2019_(Foto: Chri Strassegger)
Die Tage vergehen und trotzdem verstehe ich nichts_Gips, Acrylfarbe, Äste, Blätter_Maße variabel_2018
Kulturpflanze (1)_Gips, Holz, Pressspanplatte, Stacheldraht, Draht, Karton, Temperafarbe, Holzsockel_170 x 63 x 45 cm_2019
Wurmloch #1_Performanceskulptur_2019_Installationsansicht Symposion Lindabrunn
Wurmloch_Pressspanplatte, Acryllack, Baumwollgewebe, Holzrahmen_126,2 x 111,6 x 4,2 cm_2019
Feuer und Schwefel_Farbfotografie (C-Print)_120 x 80 cm_2018