GB: Als ich deine Arbeiten zum ersten Mal auf dem Bildschirm sah, dachte und hörte ich in meinem Kopf an Nothing else matters von Metallica. Als Betrachter denkt und fühlt man bei deinen Bildern oft Musik. Ist dir der Rhythmus wichtig?
RP: Immer wenn ich male höre ich Musik. Für mich ist der Rhythmus von großer Bedeutung, um mit der Leinwand in eine bestimmte Resonanzbeziehung zu kommen. Der Musiktext lässt mich meist noch tiefer eintauchen. Dabei entwickle ich im Prozess den Mut mich von blockierenden Denkmustern im Kopf zu lösen und freiere Bildkompositionen zuzulassen.
GB: Wir haben die Ausstellung im ip.forum auch AND NOTHING ELSE MATTERS benannt – nicht nur aufgrund meiner ersten Intuition – sondern, da in deinen Arbeiten die essentiellen Themen unseres Lebens angesprochen werden. Ich möchte besonders die Arbeiten: INDEPENDENT WOMAN, THE POINT OF VIEW und FATHER & SON anmerken und auf Laszlo Kovacs (Geschäftsführer ipcenter) Statement beziehen: „Ein breiter, offener Blick auf die Welt sollte für jede und jeden von uns einen hohen Stellenwert haben.“
RP: Die Beschäftigung mit Kunst und Kreativität im Allgemeinen lässt bereits Sichtweisen auf Standpunkte verändern und unseren Weitblick öffnen. Das erfordert jedoch eine gewisse Bereitschaft sich zu öffnen, Reflektion und Veränderung in sich selbst zuzulassen. Wenn das gelingt, befinde ich mich außerhalb der Komfort-Zone und nur in dieser Zone ist Wachsen möglich. Die Kunst kann diesen Prozess in Gang bringen und neue Wege in der persönlichen Entwicklung enorm fördern. Das Bild FATHER & SUN ist so ein Bild, bei dem ich über mich hinausgewachsen bin und mich mit meinem verstorbenen Vater in Frieden verbunden habe.
GB: Ein wichtiger Bestandteil deiner Bildtitel ist auch immer die Angabe des Ortes der Entstehung. Ist auch der Rhythmus der Stadt inspirierend?
RP: Die Umgebung wo ich male ist für mich prägend und beeinflusst mich sehr stark. Während meines Leipzig Aufenthalts in einer internationalen Residency 2018 inspirierten mich insbesondere die Bildhauer mit der Verwendung der vielen unterschiedlichen Materialen. Dies führte dazu, dass ich mehr Objekte als Bilder produzierte.
Auch in New York beeinflusst mich die Street Art ganz besonders und fließt direkt in meine Kunstwerke ein. Aus diesem Grund ist es mir wichtig bei den Bildtiteln den Entstehungsort anzuführen.
GB: Die Auseinandersetzung mit anderen Menschen ist dir sehr wichtig für das Verständnis deiner Kunst.
RP: 2006 hatte ich ein sehr berührendes Erlebnis: Mein verstorbener Adoptivneffe Christian litt an Muskelatrophie und konnte sich nur mehr mit Hilfe seines Rollstuhles fortbewegen. Ich habe mit ihm eine gemeinsame Malsession veranstaltet. Riesige Leinwände lagen am Boden und an seinen elektrischen Rollstuhl montierte ich Pinsel in verschiedenen Größen. Ich trug die Farbe auf und er fuhr mit seinem Rollstuhl über die Leinwand. Es sind dabei beeindruckende abstrakte Bilder entstanden. Mein Freund Marc fotografierte die gesamte Aktion und hielt auch ganz spezielle Momente nonverbaler Kommunikation zwischen mir und Christian fest. Mein Freund liebte den Maler Liebermann und seine Kunst, hatte aber zur Abstraktion und zur zeitgenössischen Kunst keinen Zugang. Am Ende des Tages aber sagte er zu mir: „Du hast meine Sichtweise mit diesem Projekt komplett verändert“.
Das war für mich sehr spannend zu sehen, was passiert, wenn sich Menschen auf Kunst einlassen.
Natürlich muss ich auch sagen: Nur wenn ich andere Menschen in ihrem Innersten erkennen und verstehen kann, kann ich auch meine Sichtweise und Meinung dazu ins Positive verändern. Das setzt voraus, dass ich gegenüber dem anderen eine bestimmte Grund-Wahrnehmung entwickle. Daher dachte ich, dass sich diese Wahrnehmung gegenüber anderen in der Corona Krise positiver entwickeln würde. Leider habe ich nach Lockerung der Corona-Maßnahmen festgestellt, dass dies nicht so ist und viele Menschen wieder in ihrem „Alten Trott“ zurück sind. Alles geht weiter wie bisher. Aus diesem Grund braucht es Kunst und Kultur mehr denn je in unserer Gesellschaft.
GB: Ich zitiere gerne den kanadischen Philosophen und Theoretiker Marshall McLuhan (1911 -1980) und seine Aussage: The Medium is the Message. Dieses 1967 formulierte Statement und McLuhans generelles Werk gelten als die Bausteine der Medientheorie und finden auch heute noch Gültigkeit. Seinen Grundsatz möchte ich gerne auf deine Arbeiten anwenden: Du bemalst Designerstoffe, verwendest die verschiedensten Techniken, schreibst Texte, inszenierst Performances….
Greifst du bewusst auf gewisse Stilmittel zurück, um deine Aussage am besten zu transportieren oder geschieht es intuitiv?
RP: Mir ist es wichtig, dass meine Werke selbst sprechen. Denn sie vermitteln ja gerade jenen Ausdruck, den ich mit all meinen Mitteln im Prozess schaffe. Sie sind ein Teil von mir und daher auch auf das Kunstwerk übertragen und erkennbar. Das ist die Botschaft, ja!
Wenn ich mich zu einem bestimmten gesellschaftlichen Thema ausdrücken möchte, wähle ich meist Performance, Objekt oder die Installation. Um selbst mein Innerstes nach außen zu kehren wähle ich meinst die Leinwand und das Schreiben. Manchmal ist es auch eine Kombination. Das ist dann eine intuitive Entscheidung meines prozessorientierten Arbeitens.
GB: Wechseln die Phasen, in denen du zum Beispiel mehr schreibst, malst oder dich auf Performances konzentrierst?
RP: Ich brauche die Vielfalt in meiner Arbeit und wechsle daher meist zwischen Phasen des Malens und des Schreibens. Besonders wichtig für mich sind auch die Phasen der Quellenarbeit, das Entdecken und Lesen alter und neuer Bücher. Dieser Quellengenuss ist ein essentieller Ursprung und Impuls für meine Kreativität.
Homepage des Künstlers: www.ponesch.com
„Gespräch“, 3. Mai 2020
Fotos der Ausstellungseröffnung und Performance am 23. Jänner 2020 im ip.forum
mehr Infos zur Ausstellung: www.ip-forum.at/
Beitragsfoto: Reinhold Ponesch und Gabriele Baumgartner im Atelier, Oktober 2019, Foto: Nicole Ponesch
…AND NOTHING ELSE MATTERS
Reinhold Ponesch in conversation with curator Gabriele Baumgartner
GB: At the time when I saw your works for the first time, the song Nothing else matters from Metallica came to my mind. As a spectator, one often feels music when looking at your paintings. Is the rhythm important for you?
RP: I´m always listening to music when I´m painting. The rhythm is very important to me, to get into a resonance relationship with the canvas. The text of the music often let me immerse into deeper emotions. Thereby, I´m developing in the process the courage to let go of blocking thought patterns and to create a freer image composition.
GB: We have titled the exhibition at the ip.forum “…AND NOTHING ELSE MATTERS” – not only because of my first intuition – but also since you are addressing important themes of life. I would like to mention your paintings INDEPENDENT WOMAN, THE POINT OF VIEW und FATHER & SON. The CEO of the ip.forum Laszlo Kovacs said in a statement: “A wide and open view on the world should have a significance for everyone!”
RP: The debate with art and creativity in general already changes the point of view and opens our vision. It demands a willingness to open yourself, to reflect and allow changes within yourself. When I succeed I´m outside my comfort zone and only in this zone a growth is possible. Art can start this process and can create and support new ways in my own personal development. The work “Father and Son” is such a painting, I surpassed myself and I made peace with my departed father.
GB: An important part of the title is the naming of the origin of the paintings. Is the rhythm of the city inspiring for you?
RP: The environment where I´m painting is very important to me and influences me. During my International Art Residency in Leipzig in 2018 I got very much inspired by the sculptors and their material. Because of that I produced more objects than paintings.
When I´m working in New York Street Art influences me and my work. Because of that reason it´s important for me to mention the origin of the painting.
GB: The engagement with other people is very important for your art?
RP: In 2006, I had a touching experience: my departed nephew Christian was suffering from a severe disease and could only move with the help of a wheel chair. I was painting together with him and we had big scale canvases on the floor. I fixed different brushes onto his wheel chair. I put the paint on the canvas and he was driving over the surface of the canvas. Three beautiful large abstract paintings were created. My friend Marc was taking pictures of us during the hole session and the non-verbal communication between me and Christian.
Back than my friend loved the artist Liebermann and his art and he didn’t have any idea about abstraction and contemporary art. At the end of the day, he told me: “With this project you have changed my point of view regarding abstract art.”
This was so rewarding and gripping once people get involved with art.
I have to mention additionally: Only when I can recognize and understand the inner state of a person, I can change my point of view and opinion into something positive. The precondition is to have a certain basic-perception to the human being. Therefore, I was thinking, that this awareness during the corona crises has changed in a positive way. But after the relaxation I discovered that the people are back to the same old rut. Everyday life is back. Because of that art and culture is more important than ever in society.
GB: I often quote the Canadian Philosoph Marshall McLuhan (1911 -1980): The Medium is the Message. This statement from 1967 are the basics of Media-Theory and also have a relevance nowadays. And I apply this to your work: you´re painting on designer fabric, are using different techniques, are texts and are staging performances…..Are you using certain stylistic devices to express your message or is it happening intuitively?
RP: It´s important to me, that my works are speaking for themselves. They communicate the expression of all the methods I use in the process. They are a part of me and are visible in my art pieces. That’s the message, yes.
When I want to express myself to a special social theme, I´m choosing performance, object or an installation. To show my deepest inner feelings, I choose writing or painting. Sometimes it is a combination. This is an intuitive decision in my process-driven work.
GB: Are there times when you for example are writing more, are painting more or are concentrating on other things?
RP: I need the diversity in my work and I´m chancing between painting and writing. Significant for my hole work is also working with documentary material and the discovery of old and new books. These studies are an essential source and impulse for my creativity.